Meine Mutter ist eine Quelle interessanter Geschichten, unter anderem auch von Geschichten, die ihr andere erzählt haben. Heute zum Beispiel sprachen wir über einen Vorfall in der German American Society hier in Portland, wo eine Auseinandersetzung innerhalb der Society zu einer Mitgliederversammlung führte, die über eine Spaltung befinden sollte. Während dieses Treffens gab ein Mitglied zum Besten, er sei schon seit 1964 Mitglied und hätte dafür Diskriminierungen hinnehmen müssen, während neuere Mitglieder dies nicht hätten erleben müssen. Daraufhin sprach die Redeführerin (und während ich dies schreibe, bemerke ich mein Unbehagen mit der Wortwahl) davon, dass sie selbst reichlich diskriminiert worden sei, sie sei nämlich Jüdin.
Darauf hin fühlten sich viele Mitglieder berufen, ihren Unmut zu bekunden. Durch rufen, zischen, sogar ein “Juden raus!” soll dabei gewesen sein. Das also erzählte ich meiner Mutter und die erzählte mir folgendes.
Ihre Cousine, Hertha, lebte als Kind hinter dem Sonnborner Bahnhof, von dem Judentransporte aus gingen. Während der Kriegsjahre herrschte Verdunkelung, und deswegen war es nicht möglich, mal eben schnell durchs Fenster zu schauen. Und weil es nachts sehr ruhig war, erlebte sie als Kind die Judentransporte mitten in der Nacht als Kopf-Theater. Das schlurfen und schleichen von Menschen, die genau wissen, dass da, wo sie hinfahren, nichts Gutes auf sie wartet. Und hinter dem abgedunkelten Fenster lag ein Mädchen im Bett, dass das auch wusste, so wie jeder damals.
Und so weiss jetzt auch jeder, dass es eine grosse Anzahl von Mitgliedern in der German American Society gibt, die sich mindestens schlecht, sehr schlecht benommen haben, wahrscheinlicher aber mit dem braunen Zeug sympathisieren. Erschreckend, in 2011! Da werde ich mir was überlegen müssen. Ich fang mal damit an, eben diese Geschichte einfach nur zu erzählen.
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